
Mitte des Schweigens
Hinunter ist der Sonne Schein
MP3
Impression von Hans-Jürgen Hufeisen
Aus der Produktion Abendstern mit Impressionen zu 24 Abendliedern. Ursprünglich erschienen 1995 mit 12 Titeln, erneuerte und erweiterte Auflage 2018 und 2022. | Blockflöte: Hans-Jürgen Hufeisen | Weitere Instrumente mit seinem Musikensemble, nähre Infos: Album Abendstern
Quelle
Musik: Melchior Vulpius (1560-1615)
Text: Nikolaus Hermann (um 1480-1561)
Impression: Hans-Jürgen Hufeisen - aus der Produktion Klang der Schöpfung 1993 / Abendstern 1995
Liedtext | Autoren
Hinunter ist der Sonne Schein,
die finstre Nacht bricht stark herein;
leucht uns, Herr Christ, du wahres Licht,
lass uns im Finstern tappen nicht.
Dir sei Dank, dass du uns den Tag
vor Schaden, G'fahr und mancher Plag
durch deine Engel hast behüt
aus Gnad und väterlicher Güt.
Womit wir heut erzürnet dich,
dasselb verzeih uns gnädiglich
und rechn es unsrer Seel nicht zu;
lass schlafen uns mit Fried und Ruh.
Dein Engel uns zur Wach bestell,
dass uns der böse Feind nicht fäll.
Vor Schrecken, Angst und Feuersnot
behüte uns, o lieber Gott.
Ob der Dichter und Kantor Nikolaus Hermann wirklich aus Joachimsthal in Böhmen stammt, ist nicht bekannt. Dort hielt er sich 1518 auf und übernahm 1524 die Ämter als Lehrer der Lateinschule und als Kirchenmusiker in der Kirche an. Einige Jahre vor dem Tod war er gezwungen, sein Amt wegen Krankheit aufzugeben. Im Jahr vor seinem Tod 1560 schrieb er den Liedtext zu Hinunter ist der Sonne Schein. Am 3. Mai 1561 starb er in Joachimsthal. Der Komponist und Kirchenmusiker Melchior Vulpius schrieb 1609 die Musik zu Hinunter ist der Sonne Schein. Er wuchs in Thüringen in einer armen Handwerkerfamilie auf. Er erhielt 1589 eine Anstellung an einem Gymnasium in Schleusingen. 1596 erhielt er die Position als Stadtkantor in Weimar. Viele geistliche Kompositionen entstanden.
Kommentar
Die erste Strophe erscheint wie eine Ouvertüre daherzukommen – in Bildern von Licht und Finsternis. Dann folgt eigentlich der Abendsegen von Luther (in Reimfassung). Doch was mich fasziniert, ist die musikalische Auslegung zum Text. Was wäre der Liedtext, wenn nicht die eindrucksvolle Musik von Vulpius dazugekommen wäre? Unglaublich: Bei den Worten finstre Nacht steigt die Melodie empor. Die Nacht wird mächtig! Von da an bewegt sich die gesamte Klangaura hinab. Am Ende der Melodie «tappen» die Töne ins Dunkel. In meiner musikalischen Impression wirkt die Begleitung zur Melodie wie ein Hauch von Klang und Zeit. Wenige Töne mögen die Ferne des Himmels malen – beim Eintauchen der Sonne am Horizont des Meeres. Am Schluss beziehe ich mich auf den Chorsatz von Vulpius.
Impression
Die Entstehung hatte zwei Phasen. 1993 kam es zur Uraufführung Klang der Schöpfung (München Olympia-Stadion), ein Werk von Jörg Zink und mir. Darin sind vier Ouvertüren enthalten, u.a. auch die dritte Ouvertüre mit dem Titel Ruhe in der Bewegung und Bewegung in der Ruhe. 1995 entwickelte ich aus den Motiven der dritten Ouvertüre die Impression Mitte des Schweigens. Darin wirkt die Begleitung zur Melodie wie ein Fragment von Klang und Zeit. Wenige Töne und ein Rhythmus - wie ein langsamer Pulsschlag - mögen die Ferne des stillen Himmels beim Eintauchen der Sonne am Horizont des Meeres malen. Mit dem Chorsatz von Vulpius endet die Musik. Hans-Jürgen Hufeisen